Das erste Experiment: Santisima Trinidad del Paraná
Spanier gründen 1537 am Río Paraguay (auf Guaraní bedeutet das Papageienfluss) die Stadt Nuestra Señora Santa Maria de la Asunción. Von hier aus wird später die Siedlung Buenos Aires ein zweites Mal gegründet. Nachdem Franziskaner im 16. Jh. christlich-europäische Kultur hierhergebracht haben, beginnen Jesuiten hundert Jahre später im Auftrag des spanischen Königs mit der Christianisierung. Der Gouverneur fördert die Verschmelzung zwischen den spanischen Einwanderern und den Guaraní. Die daraus hervorgehenden Mestizen zählen sich zur weissen Oberschicht und unterdrücken die Guaraní zunehmend.
Kurz nach 1600 wird die erste von später rund dreissig"Jesuitenreduktionen" gegründet. Es sind Dorfgemeinschaften mit bis zu 10'000 Guaraní. Mestizen und Weisse haben keinen Zugang. Dieser sogenannte" Jesuitenstaat" untersteht der spanischen Oberherrschaft, hat aber eine eigene Verwaltung. Die von den Padres geleitete Landwirtschaft der Guaraní ist äusserst erfolgreich. Das passt den spanischen Kolonialherren nicht; deshalb unternehmen sie zum einen nichts gegen die Übergriffe der brasilianischen Sklavenhändler und schliessen zum andern im Jahr 1766 die Reduktionen. Die Jesuiten werden auf Befehl des Königs aus Mittel- und Südamerika vertrieben. Innerhalb einer Generation verfallen die Reduktionen (Dörfer). Von den 108'000 dort lebenden Guaraní sind um 1800 nur noch 30'000 übrig. 1840 werden die Reduktionen endgültig geschlossen.
Trinidad wurde 1706 gegründet. Es ist eines der wichtigsten Jesuitendörfer der Region. Der Kulturschatz bezeugt die Einrichtung des zentralen Teils der Jesuitendörfer und ist mit einem imponierenden freien Platz, einer grossen Hauptkirche, der Schule, den Werkstätten, den Häusern der Indios, dem Kloster, dem Gemüsegarten und zwei Friedhöfen ein beeindruckendes Zeugnis dieser Zeit. Der Ort gehört mit dem benachbarten Jésus zum universellen Kulturerbe der Menschheit (Unesco 1993).
Ein Teil des schliesslichen Desasters haben die Jesuiten mitzuverantworten. Sie suchten zu wenig den Austausch mit den weissen Siedlern - im Gegnsatz zu diesen waren die Reduktionen steuerbefreit. Und obwohl die Guaraní missioniert und geschult wurden, blieben sie eine Art Kinder der Jesuiten. Sie
entwickelten nicht den Status selbstverantwortlicher, mündiger Erwachsener, welche die Reduktionen nach der Vertreibung der Padres selbständig hätten weiterführen können.
Das zweite Experiment 1814-1865: Entkolonialisierung und Autarkie Paraguays
Der Diktator José de Francia - es gab damals und lange noch in Südamerika keine andere Regierungsform - setzte sich die Entkolonialisierung des Landes zum Ziel. Er entmachtete sowohl die spanische Oberschicht als auch die Kirche und schottete das Land politisch und wirtschaftlich ab. Gegen die Oberschicht wählte er eine ebenso brutale wie erfolgreiche Methode. Heiraten innerhalb dieser Klasse waren verboten, und das Erbe von Ausländern fiel nach deren Tod an den Staat. Die Abschottung war nur teilweise selbst gewählt. Das mächtige Argentinien hätte Paraguay nur zu gerne als Provinz eingegliedert.
Das einzige Exportgut war Mate-Tee; importiert wurde nichts. Mit den Einnahmen wurde die Selbstversorgungswirtschaft finanziert. Ergebnis: Die Grundversorgung für die Bevölkerung war gesichert; Luxus wurde nicht nachgefragt.
Francias Nachfolger Carlos Lopéz verfolgte dieselbe Politik, öffnete das Land allerdings für den Weltmarkt. Diese Politik war durchaus erfolgreich. Paraguay hatte keine Auslandschulden, der Boden gehörte zu 98% dem Staat und wurde von diesem an die Bauern verpachtet. Paraguay war um 1860 eine südamerikanische Grossmacht. Das passte weder Argentinien noch Brasilien.
Krieg gegen den Dreibund und Ende des paraguayanischen Modells
Aus den genannten und weiteren Gründen führte Paraguay von 1865-1870 den schlimmsten Krieg seiner Geschichte: gegen den Dreibund (Triple Alianza) von Argentinien, Brasilien und Uruguay. Die Ironie war, dass im Vorfeld Paraguay dem befreundeten und von Brasilien bedrohten Uruguay beistehen wollte. Die Bilanz des Krieges war grausam: Von den vor dem Krieg 1.3 Mio Einwohnern lebten nur noch 213'000; von den Männern nur noch 10%, vor allem Alte und Invalide. Auch Frauen und Kinder mussten als Soldaten herhalten.
Das britische Kapital war der eigentliche Nutzniesser des Krieges. Hatte es vorher in P. wegen dessen Autarkie nicht Fuss fassen können, kam es nun zum Zug, als es galt, den Wiederaufbau und die Reparationskosten zu finanzieren. Die Transportmittel und Banken wurden privatisiert, das staatseigene Land verkauft. Um 1900 gehörte das Land zumeist ausländischen Agrarkonzernen. Einen Teil des Staatsgebietes musste P. zudem an Argentinien und Brasilien abtreten.
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Denkmal auf dem Platz für den paraguayanischen Soldaten. Man beachte die Beinkleider! Sie sollten schützen gegen Dornenstrüpp, Skorpione und Schlangen.
Das zweite Kriegsdesaster: der Chacokrieg 1932-1935
Hier waren ausländische Oelkonzerne die Drahtzieher. Standard Oil hatte in Bolivien Erdoel gefunden und Royal Dutch suchte im Chaco nach Oel. Weil die Grenzen zwischen Bolivien und Paraguay im Chaco nicht klar festgelegt waren, arbeiteten beide Oelkonzerne auf einen Krieg zwischen diesen beiden Ländern hin. Tatsächlich erklärte P. 1932 Bolivien den Krieg.
Die Kriegsführung war unvorstellbar hart, und das in einem Gebiet, wo Nahrung und Wasser fehlen und die Hitze sich im Sommer um 40 Grad und mehr bewegt. Ganze Truppenteile verdursteten einfach.
Paraguay "gewann" den Krieg schliesslich, und der Chaco wurde ihm zugesprochen. Oel wurde bis jetzt nicht gefördert.
Im übrigen ist das 20. Jh. In P. eine endlose Folge von Putschs - mit dem traurigen Tiefpunkt der Stroessner-Diktatur von 1954-1989. Seither gibt es - nicht ohne zwischenzeitliche politische Störgeräusche - eine Entwicklung von Demokratie.
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