Freitag, 7. November 2014

Córdoba!



Von Santa Fé nach Córdoba sind wir fünfeinhalb Stunden unterwegs. Nach den intensiven letzten Tagen sind wir froh um die fast ereignislose Zeit im Bus. Wir lesen, dösen, schauen und werden regelmässig von einem jungen Mann mit Getränken und Snacks versorgt. Nach San Francisco herrscht einige Zeit Lastwagenstau; trotzdem fährt der Bus pünktlich in C. ein.


Wenig später sind wir bereits in der airbnb-Unterkunft. Vermieterin ist Camila, eine junge Frau aus Jujuy, die hier studiert. Zur Zeit ist ihr Bruder auf Besuch. Er hat zuletzt in Genf in der Gastronomie gearbeitet und will in nächster Zeit in Jujuy ein Teehaus eröffnen. Die beiden sprachgewandten Gastgeber machen uns auch gleich mit ihrer Grossmutter in Jujuy bekannt - via Facetime. Die 82-jährige quicklebendige Dame weiss das Gerät zu bedienen, muss aber, damit wir sie auch sehen, von ihrem Enkel angewiesen werden, welcher Knopf zu drücken ist. Es gibt auch da kein verbales Abtasten; wir sind mit ihr gleich coll im Gespräch. Und natürlich folgt die Einladung, sie im gut 900 km entfernten Jujuy zu besuchen. 

Córdoba empfängt uns mit Lärm und einer Nachmittagstemperatur von knapp 30 Grad. Das sei ganz angenehm, sagt man uns, vor zehn Tagen sei die Stadt bei 40 Grad gegrillt worden. 
Mit 1.3 Millionen Einwohnern ist C. die zweit- oder drittgrösste Stadt Argentiniens. Sie wetteifert mit Rosario um den zweiten Platz. Sie ist die bedeutendste Universitätsstadt des Landes. Und das hat Tradition, denn schon 1614 gründeten Jesuiten hier die erste Uni. Wie die 80'000 Studenten die Stadt beleben, wird vor allem in den späten Abendstunden sicht- und hörbar. In den vielen Strassenkneipen ist kaum ein Tisch frei. Es ist überhaupt viel los zu dieser Tageszeit; auf vielen Plätzen wird getanzt und gesungen. Nichts von Melancholie. Dafür ausgelassene Heiterkeit.



Die jüngere Stadtgeschichte zeigt noch ein anderes Bild, das des politischen Aufbegehrens. Es kam zum Beispiel im Mai 1969 zum sogenannten Cordobàzo-Aufstand, nachdem das Militär zuvor gegen die Universitäten und Gewerkschaften vorgegangen war. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen.

Am ersten Nachmittag haben wir nur einen Rundgang durch die Innenstadt, das heisst um die Plaza San Martin gemacht. 


Die Kathedrale zählt zu den schönsten Bauten Argentiniens. Vom Platz aus gehen mehrere Blocks    lange Fussgängerzonen weg. Margrit ist absolut fasziniert von den prächtigen Bauten!

    Kirche des Karmeliterordens

    Eingang zum Platz vor der Jesuitenkirche

    Im Innern der Jesuitenkirche

   Madonna in der Kathedrale

    Medaillon an der Decke im Hauptschiff der Kathedrale

Donnerstag und Freitag...

... gehen wir auf intensivere Rundgänge. Während einer Ruhepause auf einer schattigen Bank bei der Plaza San Martin macht uns ein älterer Herr darauf aufmerksam, dass wenige Schritte von hier, direkt neben der Kathedrale im Cabildo (Stadthaus), ein "Carcel", also ein Kerker, besichtigt werden könne/sollte. Dort wurden während der Zeit der Militärdiktatur von 1976-83, eigentlich schon Jahre vorher, die sog. "Terroristen" gefangen gehalten, verhört, gefoltert und ... . Er redet Spanisch mit uns, wir verstehen nicht alles. Auch Bekannte von ihm seien verschwunden, es hätte genügt, ein verbotenes Buch oder ein Bild von Ché Guevara bei sich zu Hause zu haben.

  

Worte zu finden für das, was in diesem Kerker, im D2, dem Police Intelligence Department of Córdoba geschehen ist, ist uns hier nicht möglich. Auch mit den Bildern wollen wir zurückhaltend sein.



 Gewisse Kinder- und Jugendbücher waren ebenfalls verboten. Fotoalben über verschwundene Angehörige mit persönlichen Aufzeichnungen über das Geschehene liegen auf. Persönliche Gegenstände zeigen, dass es sich um Menschen wie du und ich handelte, so die 1958er-Vespa mit der ein junger Mann durch Córdoba gekurvt war:



Gerade weil die Geschichte hier an diesem Platz neben der Kathedrale aufgearbeitet wird - das ist noch längst nicht abgeschlossen - , sind die Argentinier frei, sich dem Leben zuzuwenden, es auch zu geniessen.

   Direkter Blick vom Kerker zur Kathedrale!




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