Donnerstag, 6. November 2014

Ein Wort zur Walliser Auswanderung im 19. Jahrhundert

Nicht die Mittellosen wanderten aus. Wer die Schweiz nach Übersee verliess, brauchte Geld, sowohl für die Schiffspassage (es gab Familien mit elf Kindern), als auch für den Aufbau der neuen Existenz. Vom Staat Schweiz unterstützte Emigration gab es erst in der Zeit der Depression nach 1930. Das notwendige Kapital stammte hauptsächlich aus dem Verkauf der ererbten Güter (Land und Gebäude). Man nahm neben den Kleidern auch viel Gerät für Haushalt und Landwirtschaft mit.

   Museum Esperanza

Der argentinische Staat unterstützte die Immigration insofern, als er den Siedlern das Land gratis abgab (Esperanza). In San Jeronimo Norte waren das 33 ha pro Familie. Wenn man es fünf Jahre bebaut hatte, ging es in den eigenen Besitz über. Vertraglich geregelt war auch, dass keine Steuern auf den Ertrag abgeliefert werden mussten. Trotzdem war das Siedeln kein Honiglecken. Am Anfang baute man sich einfache Stroh- und Lehmhütten. Benachbarte Indios unterstützten die Neuankömmlinge.



   Beide Fotos im Museum von Esperanza

Die Dankbarkeit dafür ist immer noch spürbar, wenn über diese Zeit erzählt wird. Nicht alle waren erfolgreich. Einzelne gingen weiter, kehrten in die Schweiz zurück oder wechselten in andere Berufe. Mit dem frei werdenden Land konnten bisherige Betriebe durch Zukauf vergrössert werden.

Einer der Erfolgreichen war Christian Tscherry aus Gampel. Er besass in verschiedenen Kolonien, so auch im benachbarten Nuevo Torino, Landparzellen, die er weiter verpachtete. Selber war er unterwegs als Wanderdoktor und kehrte auch öfters nach Gampel zurück. Für seine finanziellen Angelegenheiten setzte er Julio Falchini als Verwalter ein. Der Briefverkehr zwischen den beiden (Kopien im Besitz von Klaus Anderegg) ist eine historisch ergiebige Quelle. 
Beispiel: Im Brief vom 9. Juli 1909 (das ist im hiesigen Winter) schreibt Falcini unter anderem: 

Nuevo Torino erlebt einen sehr schweren Winter mit grosser Kälte und Trockenheit. Der Lein - also Flachs - gefror in der Erde, und auch der Weizen nahm soviel Schaden, dass keine gute Ernte zu erwarten ist. Das Vieh leidet an grosser Futternot. Wenn die Trockenheit anhält, werden wir einen traurigen Frühling zu erwarten haben.

Am Schluss des Briefes wird Tscherry inständig gebeten, wieder einmal selber 'in Amerika vorzusprechen'. In der Folge wird F. nach Gampel berichten, dass er von den Pächtern keinen Zins einziehen kann. Mehrere Male ist die Rede von Missernten wegen Trockenheit oder Heuschreckenplagen. -  Tscherry selber kam nicht mehr nach Argentinien zurück.

In der Provinz Santa Fé sind zwei Ernten möglich pro Jahr. Weizen, Flachs, Tabak wurden am häufigsten angebaut. Daneben spielte die Viehwirtschaft eine grosse Rolle. Während man in der Schweiz bis in die Mitte des 20. Jhs. in den Bergen das Gras mit der Sense mähte und das Heu in Burdine in die Scheunen trug, setzte man hier schon um 1900 von Dampf angetriebene Traktoren und grosse Maschinen ein. Per Eisenbahn konnten die Ernten gegen Ende des 19. Jhs. nach Santa Fé und Rosario transportiert werden. (Rosario hat einen Hochseehafen).


   
   Fotos aus dem Archiv von José Luis Eggel, S.J.N.

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