Sonntag, 30. November 2014

Rückblende zu Paraguay

BrIm Hostal in Encarnación treffen wir ein junges Paar an, das Deutsch spricht. Er kommt aus Münster, und sie? Die blonde Frau ist eine Paraguayanerin. Wir sind erstaunt. Sie erklärt, dass sie ein Austauschjahr in Münster gemacht und dort ihren Freund kennengelernt hat. Spricht man nach einem Austauschjahr akzentfrei Hochdeutsch? Nein, Deutsch ist ihre Muttersprache. Sie kommt aus dem Chaco! 

Mennoniten im Chaco

Im historischen Abriss haben wir dargestellt, wie Paraguay in zwei Kriegen auch demografisch auf Grund gefahren wurde. Um das Bevölkerungsdefizit auszugleichen, hat das Land im 19. wie im 20. Jh. die Einwanderung aktiv gefördert. Auch viele Deutsche haben sich hier angesiedelt. Es gibt zahlreiche Dörfer, in denen bis heute deutsch gesprochen wird, und das nicht nur von der älteren Generation. Besonders eindrücklich ist die Siedlungsgeschichte der Mennoniten, einer Religionsgemeinschaft, die es seit der Zeit der Reformation gibt. Die ersten M. kamen 1926/27 in den Chaco, kurz vor den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Paraguay und Bolivien. 

Warum siedelten Europäer in einem Gebiet, wo für Wasser Sodbrunnen zu graben und mannshohes Dornengestrüpp zu roden war? 

Die M. schwören keine Eide (auch nicht auf einen Staat), leisten keinen Kriegsdienst und bleiben unter sich. Auch sprachlich. Sie stammen ursprünglich aus dem niederdeutschen Sprachraum, hauptsächlich aus den Niederlanden. Von dort vertrieben, zogen sie in menschenleere Gegenden, wo sie Land urbar machten und als Bauern und Handwerker lebten. Zuerst nach Ostpreussen, von da nach Russland, weiter nach Kanada und schliesslich nach Uruguay und Paraguay. Nach Jahrhunderten Wanderung sprechen sie nach wie vor ihr Plattdeutsch im Alltag und Hochdeutsch in der Kirche und in der Schule.
Paraguay war an den M. interessiert, wollte man doch den Chaco urbar machen. Die Siedler mussten das Land kaufen, bekamen aber weitgehende Privilegien, zum Beispiel eigenes Schul- und Erbrecht, autonome Rechtsprechung, absolute Religionsfreiheit und Befreiung vom Militärdienst. Sie bilden gewissermassen einen Staat im Staat. Es hat sich für beide Seiten bezahlt gemacht. Wo die M. leben, ist aus dem unwirtlichen Chaco Ackerbau- und Viehzuchtgebiet geworden. Hier wird nicht nur ein Grossteil der in Paraguay benötigten Milchprodukte erzeugt, auch der Anteil der exportierten Agrargüter ist überdurchschnittlich hoch. Wen wunderts, dass heute das Pro-Kopf-Einkommen der M. fünfmal über dem des übrigen Paraguay liegen soll.
Allerdings haben die M. den Wohlstand nicht allein erarbeitet. Die im Chaco schon immer heimischen Indios sind heute Lohnabhängige der M. Wie die Frauen bei den M. haben auch die Indios und die zugezogenen "Lateinparaguayaner" nichts zu bestimmen. Ob sie sich auch künftig in die Dienerrolle fügen werden?

Die junge Frau in Encarnación bezeichnet sich selber als schwarzes Schaf, hat sie es doch gegen den Widerstand ihrer Familie fertiggebracht, in Asuncion Psychologie zu studieren und für ein Jahr nach Deutschland zu fahren. Inzwischen ist sie mit ihrem Freund zurück in den Chaco zurückgekehrt. Während er Mitte Dezember nach Deutschland heimfliegt, ist es unklar, wo sie zukünftig leben und arbeiten wird.

Campesinos

Als wir in Asuncion waren, stiessen wir auf eine Demo von Campesinos. In BA im Centro Culturel Recoleta gehen wir durch eine Fotoausstellung. Dort gibt es eine Bilderfolge über den Kampf der Campesinos gegen die Grossgrundbesitzer, die Soja in Monokulturen anpflanzen und der ursprünglichen Landbevölkerung den Boden gestohlen haben. Hauptakteure sind die internationalen Agrokonzerne! Die Bilder sind in der Provinz Itapúa gemacht worden, deren Hauptstadt Encarnación ist. Wir erlauben uns, einige davon zu zeigen.






Fotos: SUB cooperativa de fotografos, Centro Culturel Recoleta, BA

Lesetipp: Maurice Lemoine. Unter der Herrschaft des Soja. Landbesitz und politische Macht in Paraguay. In: Le monde diplomatique Nr. 10306 vom 10.1.14.

Vor- und Nachspiel

Schon nach dem Frühstück ist klar, dass das Schweizer Abstimmungswochenende deutliche Ergebnisse bringen wird. Wir können uns den TA-Liveticker schenken und den Spaziergang ins Künstler- und Intellektuellenviertel San Telmo starten. Dort ist heute Flohmarkt. Bei kühlen Temperaturen windet und regnet es leicht. Unterwegs wenig Leute. Kurz nachdem wir die Avenida 9 de Julio auf der Calle Venezuela überquert haben (das schafft man nur spurtend in einer einzigen Grünphase), tönt's hinter uns: "Señor ... Señor". Eine junge, sportlich gekleidete Frau nähert sich lächelnd und deutet mit der Hand auf uns. "No, no, no!" So die Antwort von Margrit, während G. sich halb umdreht. M. hat die Situation richtig eingeschätzt. Was wollen die Frau und die beiden Männer, die sich von verschiedenen Seiten nähern? Unsere Reaktion ist so unmissverständlich, dass sie den Abstand nicht gefährlich unterschreiten. Wenige Meter später die Bestätigung: Die Frau macht rechtsumkehrt und geht zu den beiden Männern zurück - und es beginnt scharf zu riechen. Senf! Tatsächlich sind unsere Kleider mit einer grünlichen Sauce bekleckert. Es sieht nur aus wie Vogelscheisse. Kurz darauf steigen die drei in ein Auto und fahren zu unserer Erleichterung davon. Wir wären Opfer eines oft angewendeten Tricks geworden: "Sie sind mit Vogelmist bespritzt... Dürfen wir Ihnen helfen, ihn abzuwischen?" 
(Eine weniger harmlose Variante ist uns in Salta von einem andern Schweizer Reisepaar geschildert worden. Sie seien auf einem Spaziergang in La Boca (wie San Telmo eines der 48 Viertel von Buenos Aires) am helllichten Tag von vier Männern überfallen und beraubt worden. Auf dem Polizeiposten kurz danach sei ein Franzose aufgetaucht, dem dasselbe passiert war.)
Dies ist unsere erste und hoffentlich auch einzige unliebsame Begegnung dieser Art. Gestern zum Beispiel wurden wir von einem Mann in ein längeres Gespräch verwickelt, bei dem sich am Ende herausstellte, dass er eine Spende wollte. Normalerweise aber entstehen die Kontakte spontan, sind positiv und verfolgen keinen bestimmten Zweck.


    Mafalda will nichts von mir!

Weil Margrit seit einigen Tagen humpelt (Knie), kehren wir zur Mittagessenzeit in unser Viertel zurück. Unterwegs halten wir Lunchtime. Porteños sind Feinschmecker und haben Stil. Es ist ein Vergnügen zu sehen, welche Speisen rundherum gegessen werden. Was für eine Gaumenfreude! 



Ein Detail zum Stil: Nach dem Bestellen bringt die Kellnerin zu den Brötchen nicht nur Sardellen, Oliven und Butter, sondern auch ein Gläschen Süsswein.



Nach dem Hauptgang - Risotto mit Coniglio - gibts Likör. Diese Aufmerksamkeiten gehören hier zum Service. Humpelnd und schwankend kehren wir heiteren Sinnes in unser Logis zurück.


Samstag, 29. November 2014

Zurück zum Start


Abschied von Paraguay! Wir überqueren im Bus den Paraná und besteigen in Posadas das Flugzeug nach Buenos Aires: 800 km in einer guten Stunde! Das wären zwölf lange Busstunden...




Am Vorabend sehen wir in Encarnación auf Grossleinwand das Stadtrivalenderby zwischen River Plate und Boca Juniors. Es endet 1:0 für River Plate. Kurz vor der Landung sehen wir das Stadion des Siegers:


Wir freuen uns, in Buenos Aires zurück zu sein. Wir sehen die Stadt mit neuen Augen. Etwas Magisches geht von ihr aus. Wir stehen ihr fasziniert gegenüber. Dieses Gefühl stellt sich schon beim Anflug über die Stadt ein. Wir bekommen eine Vorstellung von der Dimension von 200 Quadratkilometern Stadtfläche mit 13 Mio Einwohnern. André Malraux hat über BA gesagt, sie sei die Hauptstadt eines Imperiums, das niemals existierte. Man wundert sich nicht, dass die Porteños eine Hassliebe zu ihrer Stadt haben. Man lebt hier in Gegensätzen. Sie schimpfen auf die überfüllten Busse und Subtes und sehnen sich nach BA zurück, sobald sie die Stadt verlassen. Eine junge Frau im Hostal in Encarnación, welche einen Tag vor uns nach BA zurückkehrte, strahlte in Vorfreude, sprach in Superlativen von ihrer Stadt Buenos Aires und eilte mit ihrem Tramperrucksack davon.

Wir wohnen wieder am selben Ort wie vor sechs Wochen. Auf dem Weg dorthin begegnen wir einem tangotanzenden Paar vor dem Tangoschuppen:



Heute besuchen wir den Friedhof La Recoleta, wo auch Evita Perón ihre Ruhestätte hat. La R. Ist einer der 48 Barrios Buenos Aires', ein wohlhabendes Viertel mit vielen Botschaften und Parkanlagen mit phantastischen Bäumen. 




Der Friedhof ist eine Stadt für sich. Die reichen und mächtigen Familien scheinen sich mit ihren oft überdimensionierten Mausoleen noch im Tode übertreffen zu wollen.



Die folgenden drei Bilder gehören zum gleichen Mausoleum. Über hundert Jahre nach dem Tod des Patriarchen kümmert sich kein Mensch mehr um das Grabmal. Entsprechend sieht es im Innern aus.








Die Natur erobert sich das Terrain zurück - irgendwie tröstlich.

Am Abend geraten wir vor dem Kongresspalast in ein Rockkonzert. Der Himmel wird schwarz und schwärzer und donnert dazwischen.


Donnerstag, 27. November 2014

Zur Geschichte Paraguays

Zwei sozialutopische Experimente und zwei mörderische Kriege sind prägend für Paraguay.

Das erste Experiment: Santisima Trinidad del Paraná

Spanier gründen 1537 am Río Paraguay (auf Guaraní bedeutet das Papageienfluss) die Stadt Nuestra Señora Santa Maria de la Asunción. Von hier aus wird später die Siedlung Buenos Aires ein zweites Mal gegründet. Nachdem Franziskaner im 16. Jh. christlich-europäische Kultur hierhergebracht haben, beginnen Jesuiten hundert Jahre später im Auftrag des spanischen Königs mit der Christianisierung. Der Gouverneur fördert die Verschmelzung zwischen den spanischen Einwanderern und den Guaraní. Die daraus hervorgehenden Mestizen zählen sich zur weissen Oberschicht und unterdrücken die Guaraní zunehmend. 
Kurz nach 1600 wird die erste von später rund dreissig"Jesuitenreduktionen" gegründet. Es sind Dorfgemeinschaften mit bis zu 10'000 Guaraní. Mestizen und Weisse haben keinen Zugang. Dieser sogenannte" Jesuitenstaat" untersteht der spanischen Oberherrschaft, hat aber eine eigene Verwaltung. Die von den Padres geleitete Landwirtschaft der Guaraní ist äusserst erfolgreich. Das passt den spanischen Kolonialherren nicht; deshalb unternehmen sie zum einen nichts gegen die Übergriffe der brasilianischen Sklavenhändler und schliessen zum andern im Jahr 1766 die Reduktionen. Die Jesuiten werden auf Befehl des Königs aus Mittel- und Südamerika vertrieben. Innerhalb einer Generation verfallen die Reduktionen (Dörfer). Von den 108'000 dort lebenden Guaraní sind um 1800 nur noch 30'000 übrig. 1840 werden die Reduktionen endgültig geschlossen.

Trinidad wurde 1706 gegründet. Es ist eines der wichtigsten Jesuitendörfer der Region. Der Kulturschatz bezeugt die Einrichtung des zentralen Teils der Jesuitendörfer und ist mit einem imponierenden freien Platz, einer grossen Hauptkirche, der Schule, den Werkstätten, den Häusern der Indios, dem Kloster, dem Gemüsegarten und zwei Friedhöfen ein beeindruckendes Zeugnis dieser Zeit. Der Ort gehört mit dem benachbarten Jésus zum universellen Kulturerbe der Menschheit (Unesco 1993).




Ein Teil des schliesslichen Desasters haben die Jesuiten mitzuverantworten. Sie suchten zu wenig den Austausch mit den weissen Siedlern - im Gegnsatz zu diesen waren die Reduktionen steuerbefreit. Und obwohl die Guaraní missioniert und geschult wurden, blieben sie eine Art Kinder der Jesuiten. Sie 
entwickelten nicht den Status selbstverantwortlicher, mündiger Erwachsener, welche die Reduktionen nach der Vertreibung der Padres selbständig hätten weiterführen können.










Das zweite Experiment 1814-1865: Entkolonialisierung und Autarkie Paraguays

Der Diktator José de Francia - es gab damals und lange noch in Südamerika keine andere Regierungsform - setzte sich die Entkolonialisierung des Landes zum Ziel. Er entmachtete sowohl die spanische Oberschicht als auch die Kirche und schottete das Land politisch und wirtschaftlich ab. Gegen die Oberschicht wählte er eine ebenso brutale wie erfolgreiche Methode. Heiraten innerhalb dieser Klasse waren verboten, und das Erbe von Ausländern fiel nach deren Tod an den Staat. Die Abschottung war nur teilweise selbst gewählt. Das mächtige Argentinien hätte Paraguay nur zu gerne als Provinz eingegliedert. 
Das einzige Exportgut war Mate-Tee; importiert wurde nichts. Mit den Einnahmen wurde die Selbstversorgungswirtschaft finanziert. Ergebnis: Die Grundversorgung für die Bevölkerung war gesichert; Luxus wurde nicht nachgefragt.
Francias Nachfolger Carlos Lopéz verfolgte dieselbe Politik, öffnete das Land allerdings für den Weltmarkt. Diese Politik war durchaus erfolgreich. Paraguay hatte keine Auslandschulden, der Boden gehörte zu 98% dem Staat und wurde von diesem an die Bauern verpachtet. Paraguay war um 1860 eine südamerikanische Grossmacht. Das passte weder Argentinien noch Brasilien.

Krieg gegen den Dreibund und Ende des paraguayanischen Modells

Aus den genannten und weiteren Gründen führte Paraguay von 1865-1870 den schlimmsten Krieg seiner Geschichte: gegen den Dreibund (Triple Alianza) von Argentinien, Brasilien und Uruguay. Die Ironie war, dass im Vorfeld Paraguay dem befreundeten und von Brasilien bedrohten Uruguay beistehen wollte. Die Bilanz des Krieges war grausam: Von den vor dem Krieg 1.3 Mio Einwohnern lebten nur noch 213'000; von den Männern nur noch 10%, vor allem Alte und Invalide. Auch Frauen und Kinder mussten als Soldaten herhalten.
Das britische Kapital war der eigentliche Nutzniesser des Krieges. Hatte es vorher in P. wegen dessen Autarkie nicht Fuss fassen können, kam es nun zum Zug, als es galt, den Wiederaufbau und die Reparationskosten zu finanzieren. Die Transportmittel und Banken wurden privatisiert, das staatseigene Land verkauft. Um 1900 gehörte das Land zumeist ausländischen Agrarkonzernen. Einen Teil des Staatsgebietes musste P. zudem an Argentinien und Brasilien abtreten.

Denkmal auf dem Platz für den paraguayanischen Soldaten. Man beachte die Beinkleider! Sie sollten schützen gegen Dornenstrüpp, Skorpione und Schlangen.

Das zweite Kriegsdesaster: der Chacokrieg 1932-1935

Hier waren ausländische Oelkonzerne die Drahtzieher. Standard Oil hatte in Bolivien Erdoel gefunden und Royal Dutch suchte im Chaco nach Oel. Weil die Grenzen zwischen Bolivien und Paraguay im Chaco nicht klar festgelegt waren, arbeiteten beide Oelkonzerne auf einen Krieg zwischen diesen beiden Ländern hin. Tatsächlich erklärte P. 1932 Bolivien den Krieg. 
Die Kriegsführung war unvorstellbar hart, und das in einem Gebiet, wo Nahrung und Wasser fehlen und die Hitze sich im Sommer um 40 Grad und mehr bewegt. Ganze Truppenteile verdursteten einfach.
Paraguay "gewann" den Krieg schliesslich, und der Chaco wurde ihm zugesprochen. Oel wurde bis jetzt nicht gefördert.


Im übrigen ist das 20. Jh. In P. eine endlose Folge von Putschs - mit dem traurigen Tiefpunkt der Stroessner-Diktatur von 1954-1989. Seither gibt es - nicht ohne zwischenzeitliche politische Störgeräusche - eine Entwicklung von Demokratie.


Reisen durch Paraguay

Am vergangenen Freitag und am Dienstag dieser Woche haben wir das südliche Paraguay von West nach Ost und noch einmal von Ost nach Südwest durchquert. 



   Río Iguazú

Im Vergleich zu Argentinien ist das südliche Oriente grüner als die dortigen Grossräume (P. ist durch den Río Paraguay in zwei Landschaften geteilt, in das östliche Oriente, wo 90% der Bevölkerung leben, und den fast menschenleeren Chaco, der bis um 1900 reines Indianergebiet war). Es dünkte uns auch kleinräumiger gegliedert, ausserdem ist es hügelig und umfasst auch grosse Waldgebiete. Natürlich führen die Strassen ohne Kurven durch die Hügellandschaft; die Höhenunterschiede sind bescheiden. Trotzdem erinnerten uns manche Streckenabschnitte an die Schweiz. Wenn man zwischen den Ackerbaugebieten auch mal grössere Rinderherden sieht, in den zahlreichen Dörfern aber immer auch einzelne angepflockte Kühe den Strassen entlang weiden, darf man daraus nicht auf eine Landwirtschaft mit kleinen und mittelgrossen Betrieben schliessen. Über 60% des Bodens gehört etwa 10% der Bevölkerung. Grossgrundbesitz ist die Regel, auch wenn es ein Gesetz gibt, das Land zu enteignen erlaubt, das nicht zu 30% kultiviert ist. Die Campesinos, die da arbeiten, sind weitgehend abhängig von den Landbesitzern. Ihnen gehört praktisch kein Boden. 

Die beiden Busse, die uns hier transportierten sind nicht zu vergleichen mit den modernen argentinischen Doppelstöckern. Sie befördern auch Waren. So wurden nicht nur an den Startorten Asuncioó und Ciudad del Este eine grosse Menge von Kisten, Säcken und Schachteln verladen, auch unterwegs gabs regelmässig Warenumschlag.



Encarnación/Paraguay

Von Foz do Iguazú aus hätten wir auch über die argentinische Provinz Misiones direkt nach Posadas am Paraná fahren können. Wir wollen morgen von dort nach Buenos Aires zurückfliegen. Wir zogen es jedoch vor, ins gegenüberliegende paraguayische Encarnación zu fahren; unter anderem auch deshalb, weil wir von hier aus das jesuitische Missionsdorf "Santisima Trinidad del Paraná" respektive dessen Überreste besuchen wollen.

Encarnación feiert nächstes Jahr sein 400jähriges Bestehen. Es ist das südliche Tor zu Argentinien, eine von uns aus gesehen prosperierende Kleinstadt von etwa der Grösse Luzerns. Und es ist wie Luzern auch berühmt für seine Fasnacht, hier halt Karneval genannt. Wegen seiner (künstlich angelegten) Strände am Rand des aufgestauten Yacyretá-Sees ist es die Sommerdestination von Paraguay. Im Moment macht sich hier alles bereit für die Hochsaison, welche Mitte Dezember beginnt. In zahlreichen neuen Restaurants macht man hier die letzten Umgebungsarbeiten. 


Abends ist die halbe Stadt auf der Rambla entlang dem Strand anzutreffen. Klein und gross tummelt sich, es wird gewalkt (ohne Stöcke!), radgefahren, im Sand wird ebenfalls gerannt. Das Wasser jedoch ist eine Enttäuschung, für uns wenigstens. Man darf sich nur auf einem 50 m breiten Streifen aufhalten, der nicht mehr als 80cm tief ist. Das Wasser ist dräckläi! Gerold wollte ausserhalb der Bojen schwimmen, wurde aber sogleich vom Strandwächter zurückgepfiffen. Es war ihm auch sofort klar, weshalb: An die Zone feinsten Sandes grenzt ein Gürtel mit groben Steinbrocken, wo man sich wegen der Untiefe ganz schön verletzen kann. Beim Aufstauen des Flusses hat man die Uferzone so angelegt, wohl um das Ufer zu stabilisieren.


Sonst hat die Provinzhaupstadt nicht viel zu bieten. Auf unserm heutigen Morgenspaziergang besuchen wir das kleine Museum zum Chaco-Krieg 1932-35 und kommen anschliessend auf dem Weg zum Stadtmarkt am "Plaza del Soldado Paraguayo" vorbei. Beides erinnert an eines der düsteren Kapitel in der Geschichte Paraguays. Dazu später mehr.

Der Markt ist zwar nicht das, was wir erwarten, von den Früchte- und Gemüseauslagen her jedoch eine Augenweide. Wir trinken hier wieder einen der wunderbaren frisch gepressten Fruchtsäfte und erkundigen uns nach dem Bus zurück ins Zentrum. 



Mutter und Tochter

Der junge Händler offeriert uns gleich eine Mitfahrgelegenheit in seinem klimatisierten Pickup. Seine drei kleinen Söhne sind schon drin, und so ensteht ein heiteres Gespräch auf Spanisch.


Die Kinder haben jetzt drei Monate Sommerferien, bis Ende Februar!







Mittwoch, 26. November 2014

Die grossen Wasserkraftwerke: Itaipú und Yacyretá

Nur schon die Idee, einen mächtigen Fluss wie den Río Paraná zu stauen, klingt irgendwie verrückt. Die Realisierung sprengte in der Tat die Dimensionen. Ab 1975 bauten 43'000 Arbeiter - je zur Hälfte Braslianer und Paraguayaner - am 8 km langen und bis zu 200 m hohen Damm von Itaipú. In den Achzigern wurden nach und nach die Turbinen eingebaut und in Betrieb genommen; insgesamt 20, von denen 18 ständig laufen. Sie produzieren pro Stunde 12.6 Mio Kilowattstunden Strom. Durch sie braust mehr Wasser als über die Iguazu-Fälle stürzt. Der Damm wird inzwischen zwar bezüglich Grösse vom chinesischen 3-Schluchten-Damm übertroffen, produziert aber mehr Strom. 

Es sind tatsächlich beeindruckende Zahlen für das Gemeinschaftsprojekt, das der brasinianische Präsident bei der Eröffnung 1991 als "Denkmal der Solidarität, der Zusammenarbeit und der Integration" bezeichnete. Aber: Welches sind die sozialen, die ökologischen, die wirtschaftlichen Kosten? Tausende Guaranís wurden umgesiedelt; neben viel Urwald versank auch der Wasserfall von Guairá im See (in alten Reiseberichten wurde er als noch beeindruckender als Iguazú beschrieben). Und es wurde ein dammhoher Schuldenberg aufgehäuft, denn statt der prognostizierten 3 Milliarden kostete der Bau 20 Mia USD. - Das ist für Paraguay kein so grosses Problem, verkauft dieses Land doch den grössten Teil seines Stroms an Brasilien. Zudem kann P. 70% des eigenen Strombedarfs aus diesem Kraftwerk decken.

Später baute Paraguay denn auch gemeinsam mit Argentinien einen zweiten, ähnlich grossen Damm:
Yacyretá, etwa 80 km westlich von Posadas/AR beziehungsweise Encarnación/P. Gebaut wurde hier ab 1983. Damals war in beiden Ländern das Militär an der Macht. Der Damm wurde 1998 eingeweiht. Der entstandene See ist etwas grösser als der Itaipú-See; beide sind je etwa dreimal so gross wie der Bodensee. Im Yacyretá-See sind unter anderem auch Teile der Altstadt von Encarnación versunken.



Bei der Besichtigung von Itaipú bekamen wir wortreich versichert, wieviel man in den Naturpark neben dem Damm investiere, dass zum Beispiel für jeden Arbeiter ein Baum gepflanzt worden sei. Im Bau ist gegenwärtig auch eine technische Universität, wo dereinst Studenten aus ganz Lateinamerika wissenschaftlich ausgebildet werden. Im Vergleich zu andern Grosskraftwerken scheint Itaipú gar nicht so schlecht abzuschneiden. Positiv ist auch, dass die Anrainergemeinden am Verkaufserlös partizipieren. Problematisch bleibt unter anderem allerdings, dass in der Nähe beider Kraftwerke nur wenig Strom benötigt wird. Die Abnehmer sind Hunderte von Kilometern entfernt; auf dem Weg dorthin geht viel Energie verloren.



Dienstag, 25. November 2014

Im Dreiländereck

Die letzten drei Tage haben wir im Dreiländereck Paraguay/Brasilien/Argentinien verbracht. Gewohnt haben wir in einer Airbnb-Wohnung in Foz do Iguazu, Brasil. Es war unsere einzige Station in diesem Land. Natürlich sind wir wegen der Fälle hierhergekommen. Das ist uns die Mühe wert. Die Fotos der letzten beiden Blog-Einträge zeigen dies. Was auf der Karte kleinräumig scheint, entpuppt sich vor Ort als ein Gebiet mit Distanzen von etwa 30-40 Kilometern, innerorts dasselbe mit immer noch beträchtlichen Gehdistanzen. Dazu muss man regelmässig Grenzen überschreiten und die nötigen Stempel holen. Die Buschauffeure sind wie Schafhirten, die auf ihre Herde aufpassen. Gestern, als wir von Argentinien nach Brasilien zurückgefahren sind, waren nach der Passkontrolle zwei Passagiere noch nicht zurück. Der Chauffeur fuhr erst nach längerem Zögern weiter, im Wissen, dass die betreffenden Leute auch den nächsten Bus nehmen können. Man braucht zudem drei Busfahrten, bis man am Ziel ist. Jedesmal wartet man einfach mehr oder weniger lang auf den nächsten Bus und zahlt von neuem, mal in Real, Peso oder Guaraní und in unserm Fall in Dollars. Man ist bei milden (!)  30 - 34 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit unterwegs. So schätzten wir in den Natinalparks nicht nur den Schatten in den Urwaldpartien, sondern auch die Duschen bei den Fällen. Wenn wir in die Wohnung zurückgekommen sind, haben wir jeweils alle Kleidungsstücke in die Waschmaschine geworfen. Am andern Morgen war alles wieder trocken, bereit für einen neuen Tag. Mückenschutzmittel haben wir bis jetzt nicht gebraucht, obwohl diese uns im Tropeninstitut dringend empfohlen worden sind. Wir sind deshalb entsprechend ausgerüstet! Der grosse Aufwand brauchte viel Energie, ohne dass man das direkt merkte. Deshalb konnten wir keine Blogeinträge schreiben, wir waren einfach geschafft abends. Noch einmal: Es war grandios, wir würden es wieder auf uns nehmen.


Interessant ist der Unterschied zwischen den drei Städten. Ciudad del Este ist eine Stadt voller Hektik. Sie wurde erst 1957 gegründet und ist die am schnellsten wachsende Stadt Paraguays. Es dürften heute etwa 200'000 Leute hier wohnen. Der Verkehr ist enorm, man scheint immer im Stau zu stehen. Die Erklärung: es ist (offenbar) eine Schmuggelstadt. Hier werden Waren jeder Art in grossem und kleinem Stil umgesetzt. Im Moment warten wir im Busterminal auf den nächsten grösseren Transfer. Unsere Gastgeberin hat für uns die Taxista gemacht und uns von Foz über die Grenze hierher gefahren. Sie als Einheimische hat sich gut zurechtgefunden, für uns war das ideal. Weil wir die Zeitverschiebung zwischen Brasilien und Paraguay nicht beachteten, haben wir jetzt sogar eine Stunde mehr als geplant bis zur Abfahrt, also Zeit zum Blogschreiben. 

Foz do Iguazu in Brasilien ist eine grossräumige Stadt mit breiten Strassen, etwa 300'000 Einwohner. Der Tourismus lebt von den Fällen und dem Staudamm Itaipu. Beides ist professionell organisiert und vermarktet, es werden täglich Unmengen von Touristen durchgeschleust.

Puerto Iguazu in Argentinien ist dagegen eine kleinere Stadt von rund 70'000 Einwohnern. Wir haben davon nicht viel gesehen, sind nur durchgefahren. Zwischen Foz und Puerto I ist der Grenzübertritt einfach. Stempel holen muss man sich natürlich trotzdem! Wir sind über Ciudad d E gefahren, weil unsere nächste Destination in Paraguay liegt.

Wie es in der Natur einer solchen Reise liegt, wie wir sie machen, müssen wir manchmal improvisieren, vor allem mit dem Essen. Was die Transfers und Unterkünfte anbelangt, hat Gerold zum Glück alles im voraus gebucht und bezahlt. Das hat sich enorm gelohnt. Zurück zum Essen, Holz aalange! Bis jetzt hatten wir keinerlei Probleme mit der Verdauung. Selten müssen wir auf unsern Notvorrat zurückgreifen, zum Beispiel bei unserer Ankunft in Foz. Wir kamen verspätet an und mussten uns erst wieder orientieren. In der Nähe der Wohnung hatte es weder Restaurants noch einen Supermarkt. Weil wir nicht lange suchen wollten, verpflegten wir uns marginal aus dem Koffer. Zum Notvorrat gehören immer  Mandeln, Trockenfrüchte, Crackers, Äpfel und natürlich Wasser. Am Morgen gabs immerhin Kaffee, bevor wir in die Stadt fuhren!

Abends dann konnten wir wieder einmal richtig kochen. Sonntags sind die Supermärkte in Foz zum Glück offen. Das schätzen wir, weil es uns ein Gefühl gibt, auch unterwegs irgendwo zu Hause zu sein. Wir können duschen, waschen, Mails abrufen (mit wenigen Ausnahmen), am Blog schreiben usw. - einfach auch herumhängen.

Diesen Blog schreiben wir ohne Bilder, weil das Wifi am neuen Ort so langsam ist - bis bald wieder!

Montag, 24. November 2014

Die argentinische Seite der Fälle


Die Bilder sprechen für sich. Es war grossartig, das Wasser von nah und fern zu sehen, zu hören - und seine Wirkung wahrzunehmen.



Vögel nisten und brüten ihren Nachswuchs hinter dem Wasservorhang aus.